«Die Schweiz ist Komplizin in diesem System der Folter und Vergewaltigung» – Nekane sitzt seit einem Jahr in Haft

Der spanische Staat fordert von der Schweiz die Auslieferung von Nekane Txapartegi, weil sie sich durch ihre Flucht einer mehrjärigen Haftstrafe entzogen hat. Aus diesem Grund wurde die linke und feministische Aktivistin aus Asteasu (Baskenland) am 6. April 2016 in Zürich verhaftet, wo sie zuvor mehrere Jahre mit ihrer Tochter lebte. Nekane und ihre Anwält*innen haben gegen die Auslieferung Einsprache erhoben und ein Asylgesuch gestellt. Nekane verweist darauf, dass sie im Jahr 1999 während fünf Tagen im Polizeirevier «Tres Cantos» in Madrid gefoltert wurde. Sie wurde dazu gezwungen, ein Geständnis auswendig zu lernen. Auf diesem Geständnis beruhte dann später das Urteil gegen sie wegen angeblicher Unterstützung der ETA.

Unzählige Male wurde Spanien von internationalen Gremien gerügt und verurteilt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie kommt zum Schluss, dass zwischen 1960 und 2013 die spanischen Sicherheitskräfte in über 4300 Fälle von Folter an baskischen Aktivist*innen involviert waren. Die Folter und Vergewaltigung, welche Nekane erleiden musste, sind besonders gut dokumentiert. Dennoch hat das Bundesamt für Justiz nach beinahe einem Jahr entschieden, die Einsprache gegen die Auslieferung abzuweisen. Auch das Asylgesuch wurde abgelehnt. Die Begründung ist so plump wie lächerlich: Spanien ist ein Rechtsstaat, darum sei es kaum möglich, dass Nekane gefoltert worden sei. Weil es nicht sein darf, dass die ach so humanitäre Schweiz gegen die UNO-Antifolterkonvention verstösst, werden Nekanes Foltervorwürfe ganz einfach für nichtig erklärt.

Im Gespräch mit ajour erzählt Stephanie Motz, Nekanes Anwältin, wie sie auf die Entscheide des Schweizer Staates reagierte:

«Das Schweizerische Verfahren zeugt davon, dass nicht ernstgenommen wird, was es bedeutet, Vergewaltigungsopfer zu sein.»

Heute, am Jahrestag von Nekanes Verhaftung und zwei Wochen nach dem erstinstanzlichen Entscheid, fand auf Einladung der Menschenrechtsorganisation augenauf eine Pressekonferenz statt. Stephanie Motz und Olivier Peter, Nekanes Anwält*innen im Asyl- bzw. Auslieferungsverfahren und Rolf Zopfi von augenauf nahmen Stellung zu den Entscheiden der Schweizer Behörden. Nekanes Anwält*innen zeigen sich erstaunt, über die mangelhaften Begründungen der Entscheide.

Stephanie Motz‘ Fazit aus der Begründung des Staatssekretariates für Migration ist vernichtend:

«Die freundschaftlichen Beziehungen zu Spanien sind wichtiger als die Anerkennung des Folteropfers.»

Während der drei Tage in Incomunicado-Haft wurde Nekane mehrere Male mit einem Plastiksack beinahe zum Ersticken gebracht. Die Ermittler schlugen ihr gegen den Kopf, quälten sie mit Elektroschocks und stellten Erschiessungen nach. Aber das reichte ihnen nicht. Sie erniedrigten Nekane auch durch die Anwendung sexualisierter Gewalt. Sie zogen sie aus, begrabschten und vergewaltigten sie. Wie Nekane in einer Stellungnahme schreibt, sind Folter und Vergewaltigung kein Zufall, sondern die Gewalt wird systematisch eingesetzt. Ihre Peiniger drohten Nekane damit, dass sie nie werde schwanger werden können. Dass sie nun doch eine Tochter hat, hilft ihr dabei, die Macht der Folterer über ihr Leben zurück zu drängen. Umso schwieriger ist es für Nekane, über so lange Zeit im Gefängnis zu sitzen und von ihrer Tochter getrennt zu sein.

«Als diese Person kam, konnte sie nicht einmal laufen»:

Ausschnitt der Zeugenaussage einer Mitgefangenen von Nekane

Dass sich das Wütendsein lohnt, zeigt die jüngste Entwicklung im Fall. Der Uno-Sonderberichterstatter Nils Melzer habe sich mit einem dringenden Aufruf an die Schweiz gewendet. Obwohl die Intervention von Melzer auf der jusistischen Ebene zunächst wenig Folgen haben wird, erhöht sie doch den Druck auf die Schweiz, den Fall weiter zu prüfen. Diplomatisch wirds nun für die Schweiz brenzlig, vor allem auch, da das Urteil bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg weitergezogen werden kann.

Kämpfende Aktivistin

Nekane lässt sich nicht unterkriegen. Dass sie nicht nur Folteropfer, sondern vor allem eine kämpfende Aktivistin ist, zeigen ihre vielen Beiträge aus dem Gefängnis. Sie bezieht Stellung gegen Ausbeutung und Unterdrückung und gegen sexistische Strukturen. Im Knast setzt sie sich für Mitgefangene ein und denunziert die alltägliche Gewalt. Nekane ist eine Feministin und im Kampf um eine befreite Gesellschaft steht sie auf unserer Seite. Der bürgerliche Staat bekundet immer wieder Mühe, seine eigenen Gesetze einzuhalten. Die feministische, anarchistische und kommunistische Bewegung unterstützt Nekane seit einem Jahr auf allen Ebenen. Der Druck muss weiterhin aufrechterhalten werden, auch in den nächsten Monaten.


Nekane Txapartegi spricht auf einer Demonstration gegen Folter in Donostia San Sebastian, 2006

Internationaler Aktionstag am 6. April

Am 6. April, dem Tag, an dem Nekane 1 Jahr in der Schweiz in Haft sitzt, gab es in der ganzen Schweiz und in anderen Ländern Aktionen, die sich solidarisch mit Nekane zeigen.

«Euer Amt stinkt zum Himmel!» – Aktion vor dem Bundesamt für Justiz in Bern

Fake – 20 Minuten im Tessin

Demonstrationen gabs in Zürich, Luzern, Genf, Italien und Bilbao


Weitere Infos unter www.freenekane.ch und Facebook