Die Diktatur der Motivierten – Eine Beschimpfung.

Da steht Dino Beerli. Die Hände lässig in den Taschen seiner Cordhose, das Hemd mit den hochgekrempelten Ärmeln einen Knopf zu weit geöffnet, eine Mischung aus Schal und Foulard um den Hals. Da steht er also. Und es wäre gut gewesen, er wäre einfach stehen geblieben. Aber nein, Dino Beerli musste ein Startup gründen, mit allem drum und dran: Innovation, Beratung, Workshops, Design, agile Projekte, «Macher-Spirit». Superloop Innovation heisst die «Netzwerkfirma» aus lauter «Ich-AGs» und sie wäre an sich schon Ärgernis genug.

Aber Dino Beerli wäre vermutlich nicht Dino Beerli, wenn ihm dieser Beitrag zum Unglück der Welt genügt hätte. Also schrieb der «Experte für Innovation und neue Arbeit» ein Buch: «Geilzeit Arbeit». Ein Titel wie zweimal kräftig in den Magen geboxt: Geilzeit! Arbeit! «Nur ein Wortspiel oder die soziale Innovation des 21. Jahrhunderts?», fragt Dino Beerli bescheiden.

Der Inhalt des Buches – ich habe es nicht gelesen und man sollte es auch nicht tun – dürfte dem Titel an objektiver Niedertracht in nichts nachstehen. «Mit ‹Geilzeitarbeit› zeigt Dino Beerli, Gründer & CEO Superloop Innovation, welches Mindset unserem Glück im Weg steht und wie man mit Design Thinking seine Arbeit neu erfindet, damit sie zur Bereicherung für ein wertvolles Leben wird», bewirbt vermutlich Dino Beerli selbst das Buch. Und natürlich redet und schreibt er, wie es sich für einen Startup-Idealisten gehört, in der Ich-Form seiner Angestellten: «Diesen Anspruch haben wir bei Superloop an unsere eigene Arbeit und geben dieses Wissen gerne weiter.»

«Und vor allem wollen wir viel Spass haben.» Workshop «Design Your Life»

Mit Mitteln aus der Produktentwicklung, der Neurologie und der Psychologie – aber nur der positiven, das ist Dino Beerli wichtig – will der grosse Motivator aus Bern dem zu Leibe rücken, was ihm offenbar am meisten Sorgenfalten auf seine arschglatte Erfolgsstirn treibt: Unzufriedenheit! Unzufriedenheit bei der Arbeit insbesondere. Er will seinen Kunden helfen. Denn seine «Kunden sind immer Menschen», weiss Dino Beerli zu berichten. Und schliesslich soll jeder Mensch seine «maximalen Fähigkeiten mobilisieren, um Innovation, Engagement und High Performance zu entfalten.»

Die Optimierung des gallertartigen Selbst, die Maximierung der Leistungsfähigkeit, der Weg zum superliberalen Übermenschen. Auf der Website von Dino Beerlis geiler Firma findet sich dann auch eine auf die kapitalistischen Verkehrsformen eingedampfte Version der ohnehin etwas eigentümlichen Frage nach dem Sinn unseres Lebens: «Was ist der Wert unseres Daseins?», steht dort neben dem Versprechen von Mehrwert für die Kunden ­– also für die Menschen.

Es ist dies das Programm der Motivationscoaches, Führungskompetenzentwicklerinnen und Superunternehmerpropheten dieser Welt: Die Gesellschaft soll aus dem Bewusstsein verschwinden. Ihre besonderen Gedanken- und Handlungsformen sollen in einem Meer aus Durchhalteparolen und Marschbefehlen für den Alltag untergehen. So können schliesslich die Zwänge der kapitalistischen Gesellschaft als Lustgefühl ins Individuum einwandern und dort ihr Unwesen treiben.

Dass Dino Beerli tut, was Dino Beerli tut, spricht ein deutlicheres Urteil über unsere Gesellschaft als so manches Flugblatt, das zum «Tag der Arbeit» verteilt wird. Ein Hoch auf die Schwächlichen, Unzufriedenen und Arbeitsscheuen!