1. Mai 2025: Solidarität ist unsere Waffe gegen Krieg und Faschismus

Zum 1. Mai richtet die Organisierte Autonomie Zürich den Fokus auf die Kämpfe der Weltarbeiter:innenklasse und auf die Gegenreaktionen der Herrschenden. Eingebettet ist die gegenwärtige reaktionäre Phase in eine umfassende kapitalistische Krise mit imperialistischen Spannungen und akuter Kriegstendenz. In dieser Situation muss die revolutionäre Bewegung den Antimilitarismus, den Antifaschismus und die proletarische Solidarität stärken.

Kämpferische Bewegungen weltweit und Gegenangriffe der herrschenden Klasse

Das vergangene Jahrzehnt war weltweit eine kämpferische Zeit. In Rojava drängten linke Organisationen den reaktionären IS sowie das syrische Regime zurück und bauten eine revolutionäre Selbstverwaltung auf. Die Klimabewegung entlarvte die hohlen Phrasen der herrschenden Klasse und brachte eine junge kämpferische Generation von Aktivist:innen hervor. Arbeiter:innen in Indien führten die grössten Arbeitskämpfe der Weltgeschichte mit Millionen von Streikenden. Frankreich erlebte mit den Aufständen in den Banlieues und später mit den Gilets Jaunes zwei proletarische Massenbewegungen in kurzer Zeit. In Lateinamerika gab es heftige Kämpfe gegen die Sparpolitik der Regierungen, später sagten proletarische Frauen und Queers in einer feministischen Massenbewegung unter der Losung «Ni una menos!» transfeindlicher Gewalt und den alltäglichen Femiziden den Kampf an. Migrationskämpfe forderten Bewegungsfreiheit ein und rüttelten an der Festung Europa. Auf der ganzen Welt erkämpften und verteidigten Queers und trans Personen selbstbestimmte Räume. Die Black-Lives-Matter-Bewegung brachte als militante Massenbewegung den antirassistischen Widerstand wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Auch in der Schweiz blicken wir auf kämpferische Jahre zurück: 2019 etwa brachte der feministische Streik eine der grössten Demonstrationen der Schweizer Geschichte auf die Strasse.

Diese und andere Kämpfe haben viele Menschen politisiert und inspiriert. Und auch wir haben uns an ihnen geschult und weiterentwickelt, so wie es auch viele andere Revolutionär:innen taten. Auf unterschiedlichen Ebenen haben diese Bewegungen die Lebens- und Kampfbedingungen der arbeitenden Klasse verbessert. Sie schufen Formen der proletarischen Selbstorganisierung und wirkten weit über ihre lokalen Brennpunkte hinaus. Damit sind sie Kämpfe einer Weltarbeiter:innenklasse, die auf verschiedenen Ebenen Gegenmacht entwickeln konnte.

Die Herrschenden nutzten die Verheerungen der Coronakrise aus, um die Dynamik dieser Kämpfe zu bremsen. Staat und Kapital verschärften seither die Repression gegen Aktivist:innen aus allen möglichen sozialen Bewegungen und griffen proletarische Lebensbedingungen auf vielen Ebenen an. Die Folgen dieser Angriffe erleben wir jeden Tag: Die Zumutungen am Arbeitsplatz nehmen zu, Rassismus und Sexismus zersetzen den Zusammenhalt der Klasse, patriarchale Gewalt gegen Frauen und Queers weitet sich aus. Und wie schon so oft in der Geschichte sind es rechte und faschistische Verbände und Regierungen, welche die Konterrevolution und die Angriffe auf die Klasse am härtesten vorantreiben.

In der Krise des kapitalistischen Weltsystems…

Die weltweiten Kämpfe, die Repression und die Tendenz zum Faschismus – all dies geschieht im Kontext einer umfassenden kapitalistischen Krise. Das Kapital hat immer mehr Mühe, Lohnarbeit profitabel auszubeuten, die technologische Entwicklung stockt, das Wirtschaftswachstum stagniert. Diese Krise baut sich seit Langem auf. Die Kapitalist:innen versuchen die Profitraten zu retten, indem sie auf hochspekulative Bankengeschäfte, den Immobilienmarkt oder eine Technologiebranche ausweichen, die zwar grosse Mengen an Kapital, Arbeitskraft und natürlichen Ressourcen verschlingt, aber kaum Produktionssteigerungen bewirkt. Spätestens seit der Wirtschaftskrise 2008 ist klar: Der globale Kapitalismus stösst an seine Grenzen.

Mit dem Raubbau der natürlichen Ressourcen hat der Kapitalismus das Ökosystem des Planeten an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Die ökologische Krise trifft die Arbeiter:innen im globalen Süden am härtesten: Mit der Erderwärmung drohen ihre Städte und Dörfer überschwemmt oder von Stürmen verwüstet zu werden. Ernteausfälle und das Artensterben zerstören die lokale landwirtschaftliche Produktion. Die Massnahmen, welche die Mächtigen gegen diese weltweite Katastrophe treffen, sind inhaltsleer und praktisch wirkungslos: Der Kapitalismus kann nun mal nicht auf die Ausbeutung der Natur verzichten. Die vielerorts aufkommenden rechten Regierungen lassen die Lippenbekenntnisse ganz weg und deuten die Zerstörung der Natur zum Befreiungsschlag um. Trumps «drill baby drill» und Bolsonaros «der Amazonas gehört uns» stehen beispielhaft dafür. Indem die Konzerne und Banken die Natur für ihre Profite verwüsten, gefährden sie die Zukunft der Menschheit. Positive Perspektiven entstehen in den Kämpfen der Arbeiter:innen, die sich weltweit gegen die Ausplünderung und Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen wehren.

Die anhaltende koloniale Ausbeutung des globalen Südens und die ökologische Krise veranlassen Teile der Weltarbeiter:innenklasse zur Migration in die kapitalistischen Zentren. Die Migration ist eine Form des proletarischen Widerstands: Arbeiter:innen erkämpfen Bewegungsfreiheit, organisieren sich und unterlaufen die Pläne der kapitalistischen Staaten nach umfassender Kontrolle der Grenzen. Die kapitalistischen Zentren antworten auf die Migrationskämpfe mit Abschottung und Militarisierung ihrer Aussengrenzen sowie einem menschenverachtenden Lagersystem.

Die Repression gegen Migrant:innen sehen wir als Teil einer systematischen staatlichen Gewalt gegen Arbeiter:innen, ganz besonders gegen die Teile der Klasse, die nicht oder nur prekär über Lohnarbeit in die Produktion eingebunden sind – Bewohner:innen von Slums im globalen Süden, Jugendliche in Banlieues, Geflüchtete in Lagern oder die schwarze Bevölkerung in US-Gefängnissen. Zunehmend militarisiert der Staat die Bevölkerungskontrolle und die Aufstandsbekämpfung. Die derzeitige kapitalistische Gesellschaft ist ein Krieg der Mächtigen gegen das globale Proletariat.

…spitzen sich die imperialistischen Widersprüche zu

Die kapitalistische Krise führt dazu, dass sich die Fronten der imperialistischen Mächte verhärten. Die kapitalistischen Staaten konkurrieren um die Vormacht auf den globalen Märkten, um militärische Kontrolle und um Ressourcen. Die Konfrontation wird so offen ausgetragen wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Der aktuelle Handelskrieg der US-Regierung gibt uns einen Vorgeschmack auf weitere Eskalationen. Die USA sind zwar noch die grösste Militärmacht, aber ihre ökonomische Macht bröckelt, ebenso ihre Fähigkeit zur Einbindung und Kontrolle der Staaten im Mittleren Osten, der Sahelzone oder Südamerika. In diese Lücken stossen China und Russland sowie verschiedene Regionalmächte vor. Während sich die USA auf eine Konfrontation mit dem Hauptfeind China einstellen, versucht sich Europa auch ausserhalb transatlantischer Bündnisse als Militär- und Handelsmacht zu behaupten.

So wie sich die imperialistische Staatenkonkurrenz zuspitzt, steigt auch die Kriegstendenz. In der Ukraine konkurrieren die Nato und Russland in einem Abnutzungskrieg mit hunderttausenden Opfern um Einflusssphären in Europa. Israel führt einen genozidalen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung und treibt gleichzeitig an verschiedenen Fronten einen Regionalkrieg voran. Dieser zielt auf die politische und militärische Schwächung gegnerischer Staaten – insbesondere des Iran. Israel erfüllt dabei wieder einmal seine Rolle als Stützpunkt des westlichen Imperialismus im Nahen Osten. Die Türkei nutzt die prekäre Lage in der Region, um den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung im eigenen Land, in Rojava und im Irak auszuweiten. Im Kongo versuchen sich die westlichen Staaten den Zugriff auf Bodenschätze zu sichern, indem sie den aktuellen Überfall der M23-Milizen auf den Osten des Landes dulden. Im Sudan tobt seit dem Sturz der Diktatur 2019 ein Stellvertreterkrieg, bei dem die EU, die USA, Russland und umliegende Staaten die Kriegsparteien unterstützen. Den westlichen Staaten geht es dabei um Bodenschätze, Migrationskontrolle und geopolitischen Einfluss.

Auch in Europa stehen die Zeichen auf Krieg. Die europäischen Staaten verwenden immer grössere Teile ihres Budgets für Aufrüstung, die Rüstungsexporte steigen. Begleitet wird diese Hochrüstung mit einer ideologischen Offensive: Politiker:innen versuchen die Bevölkerung wieder auf Kriegsbereitschaft einzuschwören, die bürgerlichen Medien erklären den Krieg zum Normalzustand. Es ist nicht überraschend, dass auch Linksliberale und Sozialdemokrat:innen ihre humanistische Fassade ablegen und sich dem Kriegskurs anschliessen.

Diese Aufrüstung bedeutet auch Krieg gegen innen: Die Gewerkschaften stehen unter Beschuss, die Sozialausgaben werden gekürzt, um in Waffen und Militär zu investieren. Politiker:innen hetzen die Bevölkerung nationalistisch auf und fordern sie auf, in diesen kriegerischen Zeiten den Gürtel enger zu schnallen. Die Lohndrückerei, der Sozialabbau und die Sparprogramme sind Angriffe auf unsere Lebensverhältnisse: Das tägliche Leben organisieren, die Lohnarbeit bewältigen, Kinder grossziehen, all das steht unter Beschuss und wird für uns alle zu einer ständig wachsenden Belastung.


Unsere Antwort: Revolutionärer Antimilitarismus,…

Unsere Antwort auf die Hochrüstung und die steigende Kriegsgefahr ist nicht die Entscheidung für das eine oder andere imperialistische Lager, sondern der Standpunkt der Weltarbeiter:innenklasse. Die arbeitende Klasse kann in den imperialistischen Kriegen nur verlieren. In diesen Kriegen töten sich Arbeiter:innen gegenseitig für die Profite der Reichen. Doch es ist auch die arbeitende Klasse, die diese Kriege stoppen kann: mit Streiks, Blockaden und Riots. Es geht darum, eine antimilitaristische Bewegung aufzubauen, die sich gegen die Eskalation der imperialistischen Kriege richtet. Wichtige Impulse kommen dabei von der Palästina-Solibewegung: Seien es die Besetzung von Universitäten in den USA und Europa, die Blockaden von Waffenexporten von Hafenarbeiter:innen in Italien, Griechenland und Marokko oder direkte Aktionen gegen Rüstungskonzerne – sie zeugen von einer internationalen Bewegung, welche mit vielfältigen Methoden gegen die Kriegstreiberei der herrschenden Klasse stellt.

Beim Aufbau einer revolutionären Friedensbewegung können wir auch vom Antimilitarismus der frühen Arbeiter:innenbewegung lernen. Schon 1914 hat sich die Sozialdemokratie auf die Seite des imperialistischen Krieges geschlagen und es waren Revolutionär:innen, die vor der Zerstörungskraft der Weltkriege gewarnt und damit recht behalten haben. Und sie haben uns auch diese wichtige Lektion gelehrt: Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Der beste Beitrag, den wir für internationale Solidarität und Frieden leisten können, ist der Kampf gegen die Herrschenden hier in der Schweiz, gegen die Rüstungsindustrie, gegen die ideologische Aufrüstung und Kriegstreiberei.

…revolutionärer Antifaschismus…

Aufstände und soziale Bewegungen, sinkende Produktivität, ökologische Krise, Migration und Verelendung, imperialistische Kriegstendenz – angesichts der globalen Umwälzungen wendet sich die herrschende Klasse aktuell immer mehr dem Faschismus zu. Faschist:innen greifen emanzipatorische Kämpfe an, brutalisieren die Ausbeutung der Lohnarbeit, verfolgen eine rücksichtslose Umweltpolitik, hetzen Arbeiter:innen mit rassistischen und nationalistischen Reden gegeneinander auf und treiben den Militarismus voran. Gezielt nehmen sie dabei feministische Bewegungen und Errungenschaften ins Visier und propagieren reaktionäre Männlichkeitsbilder. Das ist kein Zufall: Feministische Kämpfe bilden immer wieder die Speerspitze fortschrittlicher Bewegungen und die Herrschaft des Kapitals setzt sich systematisch in Form von patriarchaler Gewalt durch.

Die sozialdemokratischen und liberalen Parteien haben faschistischen Tendenzen nichts entgegenzusetzen. Im Gegenteil, sie bereiten selber den Boden für faschistische Politik. Auch wenn sie sich rhetorisch von den Faschist:innen abgrenzen: Es sind ebenso Liberale und Sozialdemokrat:innen, die den Krieg und die Aufrüstung vorantreiben, die Grenzkontrollen und Abschiebungen befördern und Sozialabbau betreiben. Als revolutionäre Antifaschist:innen belassen wir es daher nicht bei einer moralischen Ablehnung rechter Parolen, sondern wenden uns insgesamt gegen die bürgerliche Herrschaft, die den Faschismus immer wieder hervorbringt. Für uns bedeutet revolutionärer Antifaschismus: den Faschos und der rassistischen Spaltung entgegentreten, den Klassenkampf vorantreiben und den Bruch mit dem bürgerlichen Staat deutlich machen.

…und revolutionäre Solidarität!

Die Perspektivlosigkeit dieses Systems tritt heute so offen zutage wie selten zuvor. Der Kapitalismus hat den allermeisten Menschen nichts zu bieten ausser Krieg, Naturzerstörung und Elend. Es ist offensichtlich: Eine andere Welt ist nötig. Und die kleinen und grossen Kämpfe von Arbeiter:innen an unzähligen Orten, die feministischen Bewegungen und die reiche Widerstandstradition der Arbeiter:innenbewegung zeigen uns: Eine andere Welt ist möglich!

Für uns als Kommunist:innen führt der Weg dahin über die Entwicklung proletarischer Gegenmacht. Machen wir dabei den Ort, an dem wir leben, zum Ausgangspunkt: unseren Arbeitsplatz, unsere Strassen, unsere Stadt. Schaffen wir widerständige Quartiere, in denen wir uns gegen rassistische Polizeikontrollen wehren, uns gegenseitig bei Problemen mit Chefs und Vermieter:innen unterstützen, Kinderbetreuung kollektivieren, dem alltäglichen Sexismus entgegentreten, Mietboykotte und Hausbesetzungen planen. Organisieren wir uns als Klasse in Lohnkämpfen, Demonstrationen, Riots und direkten Aktionen. Alle Kämpfe von Arbeiter:innen sind immer auch die Kämpfe der ganzen Klasse. Aus ihnen lernen wir, in ihnen entsteht die Solidarität und eine widerständige Kultur.

Die Klassensolidarität ist unsere Waffe. Sie macht eine revolutionäre Perspektive fassbar und eine ganz andere Welt vorstellbar. Mit einer kommunistischen und revolutionären Perspektive lassen sich die vielen Kämpfe von Arbeiter:innen zusammenbringen. Brechen wir die Macht der Banken und Konzerne! Sie können sich bewaffnen, wie sie wollen – die arbeitende Klasse, Schulter an Schulter, kann Grenzen sprengen und die Weltgeschichte umwälzen. Wenn wir als Klasse Gegenmacht entwickeln, können wir die Herrschenden enteignen, die Kriege beenden und eine solidarische Gesellschaft aufbauen, die allen ein gutes Leben ermöglicht.


Für das gute Leben, für die klassenlose Gesellschaft!


Organisierte Autonomie Zürich, 1. Mai 2025


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